Sehr geehrter Vorstand des EineWeltHaus,
mit Freude haben wir vor zwölf Jahren die Eröffnung Ihres Hauses
wahrgenommen, das sich seit seiner Gründung zu einer wichtigen
Anlaufstelle für Migrantinnen und Migranten, Kulturschaffende und
Andersdenkende entwickelt hat. Darauf können Sie stolz sein und dafür
möchten wir Ihnen aufrichtig danken.
Mit großer Sorge nehmen wir allerdings zur Kenntnis, dass kein
anderes Land der Welt im Rahmen Ihres Programms in gleicher Weise und
ähnlich häufig so negativ dargestellt wird wie Israel. Allein in diesem
Jahr fand jeden Monat eine Veranstaltung statt, die sich ausschließlich
abwertend mit Israel befasste.
Wiederholt wurde bei Veranstaltungen zum Boykott israelischer
Produkte aufgerufen und Israel als „Apartheidsregime“ denunziert.
Apartheid ist die in Südafrika bis 1994 praktizierte Politik der
sogenannten Rassentrennung. Eine solche Trennung gibt es in Israel nicht
– alle Staatsangehörigen sind mit gleichen Rechten ausgestattet.
Mit Staatskritik oder der Suche nach Frieden, die uns alle umtreibt,
haben diese Behauptungen aus unserer Sicht nichts zu tun. Ihr
offensichtlicher Zweck ist es vielmehr, den jüdischen Staat zu
delegitimieren. In beispielhafter Deutlichkeit zeigte sich dieser
Versuch der Delegitimierung auch bei der Veranstaltung „Gaza-Flottille
und Palästina Fly-In“ (2011), als offen T-Shirts angeboten wurden, auf
denen unter dem Satz „Palestine unites us“ eine Karte des Nahen Ostens
ohne den Staat Israel abgebildet war.
Ähnlich häufig war auf Veranstaltungen die Behauptung zu hören,
jüdische Israelis würden den Holocaust heute ausnutzen, um ungestraft
Unrecht zu begehen. Oder in Israel etwa begangenes Unrecht ähnle zum
Teil dem Holocaust selbst. In die gleiche Kerbe schlägt die im
EineWeltHaus immer wieder zu vernehmende Behauptung, eine „jüdische
Lobby“ oder eine ähnlich umschriebene konspirative Gruppe würde die
öffentliche Meinung hierzulande dahingehend beeinflussen, dass eine
freie Meinungsäußerung in Bezug auf Israel bislang nur eingeschränkt
möglich gewesen sei.
Uns zeigt sich ein anderes Bild der öffentlichen Meinung in
Deutschland. Meinungsäußerungen zu Israel sind hierzulande durchaus
vielfältig. Anders ist dies im EineWeltHaus. Während in den vergangenen
10 Jahren an über 170 Tagen öffentliche Veranstaltungen und
Ausstellungen zu besuchen waren, die Israel mit Vorwürfen belasten, sind
einzelne Veranstaltungsanfragen, die vom hausüblichen Ton abweichen,
von Ihnen abgelehnt worden. Nachdem sich ein Mitglied von AmEchad bei
der Veranstaltung „Gaza – Mensch bleiben – Ein Buch zur Lage der
Menschen in Gaza“ (2009) in Ihrem Hause kritisch zu Wort meldete,
skandierten Jugendliche „Schmeißt ihn raus!“ Die Rhetorik auf diesen
Veranstaltungen verschärft sich.
Die in den letzten Jahren an Sie gerichteten Briefe blieben bis auf
den letzten unbeantwortet. In Ihrer ersten Antwort im Mai nun schreiben
Sie: „Wir legen großen Wert darauf, dass bei Veranstaltungen in unserem
Haus gegenseitiger Respekt, Völkerverständigung und Toleranz propagiert
und auch gelebt wird.“ Unsere vielfach formulierte Kritik fand in Ihrer
Antwort somit offensichtlich keinerlei Eingang. Wir müssen annehmen,
dass Sie diese nicht ernst genommen haben. Denn “Respekt,
Völkerverständigung und Toleranz” würden auch gebieten, den Staat der
Holocaust-Überlebenden und ihrer Nachkommen fairer zu behandeln und eine
ausgewogene Sichtweise auf Israel zu entwickeln. Das ist bei
Veranstaltungen im EineWeltHaus zu oft nicht oder nur mit
eingeschränkter Sehschärfe der Fall.
Im Mai dieses Jahres fand eine gemeinsame Kundgebung von Mitgliedern
des Verbands der Jüdischen Studenten in Bayern, der Grünen Jugend
München und der Deutsch-Israelischen Gesellschaft München vor Ihrem
Hause statt, um auf den zumindest unterkomplexen Charakter der
Veranstaltung „Die ethnische Säuberung Palästinas“ hinzuweisen.
Einen Tag vor der Kundgebung kursierte ein Gegenaufruf im Internet:
„Wir dürfen es nicht zulassen, dass die Zionisten ihren Unfug auch in
München treiben!“ Die kritische Kundgebung vor dem EineWeltHaus wurde
infolge zeitweise eingekreist. Eine Vertreterin Ihres Hauses, die sich
als Person mit Hausrecht vorstellte, unterstellte den Teilnehmenden der
Kundgebung, die „bezahlten Typen“ von Charlotte Knobloch zu sein.
Viele Münchner Juden und Nichtjuden, Israelis und Israelfreunde
fühlen sich im EineWeltHaus nicht willkommen und teilweise sogar
bedroht. Wir fordern vom EineWeltHaus, Verständnis auch für Jüdinnen und
Juden aufzubringen, die in Israel ein neues bzw. altes Zuhause suchten.
Die sich verschärfende Dämonisierung und Delegitimierung Israels sowie
die zunehmenden Boykottaufrufe halten wir für nicht akzeptabel.
Wir fordern den Programmvorstand auf, Veranstaltungen in Zukunft
abzulehnen, die Israel direkt oder indirekt das Existenzrecht absprechen
oder sich konkret gegen Jüdinnen und Juden wenden, wie beispielsweise
die Veranstaltung „Die Erfindung des jüdischen Volkes“ (2010). Israel
ist ein legitimier Teil der einen Welt, von der Sie sprechen. Und das
sollte ein Haus, das sich EineWeltHaus nennt, unserer Meinung nach auch
ausstrahlen.
Mit freundlichen Grüßen,
AmEchad, Grüne Jugend München, Linksjugend ['solid] München,
Verband Jüdischer Studenten in Bayern, Deutsch-Israelische Gesellschaft –
Arbeitsgemeinschaft München, Landesarbeitskreis Shalom der Linksjugend
['solid], Piratenpartei München
München, den 30.06.2013
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hagalil.com